Biografie Erna de Vries (Tochter) und Jeanette Korn (Mutter)

Recherche: Sr. Martina Schmidt

Jeanette Korn geborene Löwenstein wurde am 10.05.1894 in Borghorst / Westfalen geboren.

Jakob und Jeanette Korn (um 1920) Quelle: Privatbesitz (übernommen von: www.projektzeitlupe.de, einem studentischen Projekt der Universität Münster)

Sie lernte ihren späteren (nichtjüdischen) Ehemann Jacob Korn in Bonn kennen. In Kaiserslautern gründete Jacob Korn mit einem Teilhaber den Speditionsbetrieb „Sauerhöfer und Korn“. Nach dem Tod ihres Mannes (1931) führte Jeanette Korn den Betrieb mit dem Teilhaber weiter, was aber zunehmend schwierig wurde, weil sie als Jüdin massiven Einschränkungen unterworfen war. So durfte sie z. B. nicht länger Mitglied im Lastkraftwagen-Vertriebsverband sein, was ihre beruflichen Möglichkeiten sehr behinderte. 1935 schied sie schließlich aus dem Geschäft aus.

Mehrere Mitglieder der Familie Löwenstein wanderten aus (z.B. nach China oder Chile), doch Jeanette Korn fühlte sich für ihre Mutter verantwortlich und wollte daher Deutschland nicht verlassen. Sie war trotz der bereits erlebten Schikanen davon überzeugt, dass ihr in diesem Land nichts passieren könne. Als ihre Mutter 1938 starb, war es für eine Auswanderung zu spät.

Am 10. November 1938 wurde die Wohnung von Mutter und Tochter Korn (heute: verheiratete Erna de Vries) vollständig verwüstet. Die Kriminalpolizei forderte sie auf, den Gau Saar-Pfalz bis um 18:00 Uhr zu verlassen. Mutter und Tochter begaben sich zu Verwandten nach Köln, wo Frau Jeanette Korn bis Dezember blieb. Danach kehrte sie wieder nach Kaiserslautern zurück und konnte die bisherige Wohnung in der Friedenstraße 30, wo sie seit 01.12.1932 gewohnt hatten, wieder beziehen. Sie war von Nachbarn verschlossen worden und konnte wieder instand gesetzt werden.

Tochter Erna blieb in Köln und begann dort eine Hauswirtschaftsausbildung in einem jüdischen Altenheim; ein Jahr später wechselte sie in das Jüdische Asyl, wo sie in der Krankenpflege mithelfen konnte. 1942 zog sie wieder nach Kaiserslautern zu ihrer Mutter.

Am 06. Juli 1943 wurde Frau Jeanette Korn von zwei Beamten der Gestapo Saarbrücken abgeholt, um in das Strafgefängnis Lerchesflur in Saarbrücken gebracht zu werden. Von dort aus sollte die Deportation nach Auschwitz erfolgen. Die Tochter Erna bestand darauf, die Mutter nach Saarbrücken und dann nach Auschwitz zu begleiten. In Auschwitz nach mehrtägiger Anfahrt angekommen, wurden beide per offenem Lastwagen ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau transportiert. Jeanette Korn war zu dem Zeitpunkt 48 Jahre alt, ihre Tochter 19 Jahre alt. Beide wurden zunächst einem Arbeitskommando zugewiesen. Mit der Selektion für den Todesblock 25 trennten sich die Wege von Mutter und Tochter. Für Frau Korn bedeutete es ein großes Glück zu erfahren, dass ihr Tochter wider Erwarten vor der Vergasung bewahrt blieb, weil sie in letzter Sekunde den Befehl erhielt, mit weiteren 84 Frauen eines „Mischlingstransports“ in das Konzentrationslager Ravensbrück verlegt zu werden. Der Transport erfolgte am 16.09.1943. Die letzte Begegnung von Mutter und Tochter in Auschwitz-Birkenau kurz zuvor stand unter dem Zeichen des endgültigen Abschieds. „Du wirst überleben und erzählen, was man mit uns gemacht hat.“ Diese letzten Worte ihrer Mutter konnte Erna Korn nie vergessen. Im Konzentrationslager Ravensbrück erhielt sie im März 1944 in der Kommandantur die Nachricht, dass ihre Mutter am 08.11.1943 in Auschwitz verstorben sei. Sie ließ sie erst 1954 für tot erklären.

Erna de Vries lebt heute hochbetagt in Lathen / Emsland. Noch immer löst sie die Worte ihrer Mutter ein: „Du wirst erzählen…“. Wer ihr je zuhören konnte, wenn sie ihre Lebensgeschichte erzählt, wird es schwer vergessen können.

Quellen:

Erna de Vries: Der Auftrag meiner Mutter. Eine Überlebende der Shoah erzählt. Herausgegeben von Gabi Fischer, Marianne Walther und Birthe Weiß. Berlin: 20122

Stadtarchiv Kaiserslautern: Meldekartei I

www.projektzeitlupe.de

Sonstiges:

Erna de Vries berichtet viel über Ihre Erfahrungen aus dieser schweren und gravierenden Zeit. Um mehr Informationen zu erhalten, klicken Sie hier.

Zusätzlich hat der SWR zu Erna de Vries einen akustischen Stolperstein erstellt, den Sie unter diesem Link finden.